Lesepredigt Lätare 2021

14.03.2021
Predigt zu Johannes 12,20-26
Pfr. Dr. Roland Liebenberg

Jesus sehen


Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht bei Johannes im 12. Kapitel.
Nach der Auferweckung des Lazarus war Jesus in Jerusalem eingezogen. In der Stadt wurde gerade das Passafest gefeiert. Als bekannt wurde, dass der Wunderheiler sich in Jerusalem aufhält, wollten die Menschen ihn sehen.

Es waren aber einige Griechen unter denen, berichtet Johannes weiter, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu Philippus, der aus Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus gerne sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen’s Jesus.

Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Wer sein Leben lieb hat, der verliert es; und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s bewahren zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.


Die grünen Kreuze

Haben sie auch eines gesehen? Landwirte stellten im September 2019 auf Äckern und Wiesen grüne Holzkreuze auf. Innerhalb eines Monats sollen deutschlandweit rund 10.000 solcher Kreuze aufgestellt worden sein. Auch in unserer Region.

Auslöser war das Agrarumweltpaket des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Es wurde im September 2019 beschlossen. Mit der Aufstellung der grünen Kreuze protestierten die Landwirte gegen neue Regulierungen aus Politik und Verwaltung. Sie forderten von der Gesellschaft mehr Respekt für ihre Arbeit. Sie verstanden die Kreuze als Mahnzeichen gegenüber Politik und Gesellschaft und wollten mit ihnen die Verbraucher zum Nachdenken anregen.

Als ich das erste Mal so ein grünes Kreuz sah, dachte ich, dass hier in der Nähe etwas passiert sein muss. Wahrscheinlich ein Unfall. Bis ich weitere grüne Kreuze sah. Da wurde mir klar, dass sie aus einem anderen Grund aufgestellt wurden. Heute weiß ich, dass die Landwirte mit den grünen Kreuzen auf ihre finanziellen Einbußen durch das vom Bundestag beschlossene Agrarumweltpaket aufmerksam machen wollten.

Verbanden die Landwirte mit den grünen Kreuzen auch eine religiöse Botschaft? Mit dem Kreuz verbinde ich den Leidensweg unseres Herrn Jesus Christus. Wenn ich ein Kreuz sehe, denke ich an das, was er aus Liebe für uns auf sich genommen hat. Sehe ich ein Kreuz, dann sehe ich auch ihn.

Jesus sehen

Jesus sehen – das wollten auch einige griechische Pilger in Jerusalem. Sie hielten sich während des Passahfests in der Stadt auf und hatten von dem Wunderheiler aus Galiläa gehört. Sie gingen nicht direkt zu Jesus, sondern zu dessen Jünger Philippus. Sie tasteten sich vorsichtig heran. 

Behutsam versuchen sie, eine Beziehung zu Jesus herzustellen. So verhält es sich auch mit dem Glauben. Denn der Glaube benötigt Beziehung, Beziehung zu anderen Menschen, Beziehung zu einer Gemeinde, Beziehung zu Gott. Philippus und Andreas stellten für die Griechen die Beziehung zu Jesus her. Erwartbar wäre jetzt gewesen, dass Jesus die griechischen Pilger zu sich ruft. Doch das tat er nicht. Er hielt stattdessen eine Rede. In ihr erklärte er, wie und wo wir ihn sehen können.

 Wie und wo wir ihn sehen

Jesus lenkt den Blick zunächst auf sich und sein bevorstehendes Leid. Die Stunde sei gekommen, teilt er uns mit. Und damit meint er die Zeit seines Todes am Kreuz. Im Johannesevangelium wird diese Stunde als eine Zeit der Verherrlichung beschrieben. Damit wird das Schreckliche dieses Todes nicht verharmlost oder verklärt. Verherrlicht wird Jesus als der Menschensohn am Kreuz, weil Gott bei ihm ist. Der allmächtige Gott hängt mit dem Menschensohn am Kreuz.

Deshalb ist sein Tod kein sinnloser und vergeblicher Tod. Nach Ostern wird sich zeigen, dass sein Tod viel Frucht bringt. Aus ihm erwächst als Frucht die christliche Gemeinde. Eine Gemeinde, die in seinem Tod am Kreuz die sich selbst hingebende Liebe Gottes erkennt. Eine Gemeinde, die sich auf diese Liebe einlässt und von ihr lebt.

Jesus verdeutlicht das mit einem Bildwort: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Das Weizenkorn muss sterben, um viel Frucht zu bringen. Bliebe es für sich, allein und vereinzelt, wäre das nicht möglich. Jesus blieb nicht für sich. Er begriff sein Leben als ein Leben für andere. So ein Leben für andere unterscheidet sich vom Leben jener, die nur ihr eigenes Wohl im Sinn haben.

Wer sein Leben auf diese Weise lieb hat, wer nur seine eigenen Interessen durchsetzen möchte, der wird sein Leben gerade dadurch verfehlen, warnt Jesus in unserem Predigttext. Wer aber ein solches Leben hasst, wer stattdessen das Gemeinwohl im Sinn hat, und bereit ist, sich dafür einzusetzen, der wird nicht nur mit einem sinnerfüllten, einem wahrhaft liebevollen Leben belohnt. Der, verspricht Jesus, wird sein Leben auch erhalten zum ewigen Leben.

Wenn wir uns mit den uns gegebenen Möglichkeiten im Namen Jesu für das Gemeinwohl einsetzen und für andere da sind, dann dienen wir unserem Bruder und Herrn und folgen ihm nach. Dann sehen wir ihn. Dann sind wir gemeinsam mit ihm unterwegs in das Himmelreich seines und unseres Vaters. Wo ich bin, sagt Jesus am Ende seiner Rede, da werden auch jene sein, die mir dienen. Und die mir dienen, wird mein Vater ehren.

Engagement für andere 

Wir sehen Jesus dort, wo sich Menschen in seinem Namen für andere und das Gemeinwohl einsetzen. In diesen Zeiten kommen mir besonders die Ehrenamtlichen in den Impfzentren in den Sinn. Ohne sie wäre die derzeitige Impfkampagne überhaupt nicht denkbar.

Und natürlich muss ich an das ehrenamtliche Engagement in unseren Kirchengemeinden denken. Es wird zwar derzeit von der Corona-Pandemie ausgebremst, doch ganz zum Stillstand ist es nicht gekommen. Am kommenden Mittwoch werden sich die drei Rohrer Kirchengemeinden um die Trägerschaft für das „Haus für Kinder“ in Regelsbach bewerben.

Das Haus mit Kinderhort, Kindertagesstätte und Kinderkrippe soll im Herbst 2023 den Betrieb aufnehmen. Es wird hinter der Grundschule gebaut. Die Planungen laufen derzeit auf Hochtouren. Für die beabsichtigte Trägerschaft haben die drei Kirchenvorstände einen neuen Weg eingeschlagen.

Sie beschlossen, einen dreigemeindlichen Zweckverband zu gründen. Der Vorstand des Zweckverbandes soll mit Herrn Englert vom Schwabacher Kirchengemeindeamt, dem Geschäftsführer des Rohrer Kindergartens, in Zukunft beide Einrichtungen verwalten.

Wir bewerben uns um die Trägerschaft des „Hauses für Kinder“ nicht deshalb, damit die Betreuung der Rohrer Kinder in einer Hand bleibt. Wir bewerben uns, weil wir für andere da sein wollen. Wir bewerben uns, weil uns das Gemeinwohl, in diesem Fall das Wohl der Rohrer Kinder und unserer Rohrer Gemeinde am Herzen liegt. Denn so dienen wir unserem Herrn und sind mit ihm unterwegs.

Und wenn dann in zwei Jahren das „Haus für Kinder“ geöffnet wird, werden wir Jesus sehen: In den fröhlichen und lachenden Gesichtern der Kinder, für die wir in seinem Namen Verantwortung übernehme