Lesepredigt Ostersonntag 2020

12. April 2020
Predigt zu 1 Korinther 15,12-22
Pfr. Dr. Roland Liebenberg

Die Kraft der Auferstehung

 


Bekenntnis zur Auferstehung
Der diesjährige Predigttext für den Ostersonntag ist dem 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes entnommen:

Wenn Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten? Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir würden dann als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden.
Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendsten unter allen Menschen.
Nun ist aber Christus erweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.

Streit um den Ostertermin

Ostern ist das älteste und wichtigste Fest der Christenheit, liebe Gemeinde. Eindeutige Zeugnisse zu einem Osterfest finden sich bereits im 2. Jahrhundert. Ihm vorausgegangen war ein Streit um den Ostertermin. In Kleinasien, heute die Westtürkei, wollten die Christen das Fest am 14. Nisan, also zeitgleich mit dem jüdischen Passafest feiern. Die Christen in Rom wählten für das Osterfest dagegen den darauffolgenden Sonntag.
Das hatte theologische Gründe. Während die Christen in Kleinasien an die jüdische Tradition anknüpfen wollten und den Akzent auf den Tod Christi als unser geopfertes Passalamm legten, betonten die Christen in Rom die Auferstehung Jesu. Im Jahr 325 beschloss das Konzil von Nizäa, dass Ostern am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert werden soll. Seitdem feiert die gesamte Christenheit an Ostern die Auferstehung des Herrn.

Der Glaube an die Auferstehung

Bei dieser Festlegung dürften auch die Ausführungen des Paulus zur Bedeutung der Auferstehung für den christlichen Glauben eine Rolle gespielt haben. Dem Apostel war zu Ohren gekommen, dass Teile der von ihm gegründeten Gemeinde in Korinth die Auferstehung ablehnten. Sie behaupteten, auch ohne den Glauben an die Auferstehung der Toten Christen sein zu können.
Dem widersprach Paulus. Die Christenheit hat ihren Ursprung im Auferstehungsglauben. Die Jüngerinnen und Jünger um Maria Magdalena und Petrus sammelten sich in Jerusalem, weil ihnen der Auferstandene erschienen war. Die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn war die Grundlage für den Aufbau der Gemeinde in Jerusalem und für die anschließende Missionstätigkeit.
Die Pfingstpredigt des Petrus wurde getragen vom Glauben an die Auferstehung: „Ihr Männer [und Frauen] von Jerusalem, hört diese Worte: Jesus von Nazareth […] hat Gott von den Wehen des Todes befreit und auferweckt.“
Ebenso verhielt es sich bei Paulus. Auch ihm erschien der Herr vor Damaskus. Das war für ihn der Anfang eines neuen Lebens. Erst diese Erscheinung, erst der Glaube an die Auferstehung machte aus dem Christenverfolger einen Apostel. Der Glaube an die Auferstehung trieb Paulus an zu seinen Missionsreisen und stand im Zentrum seiner
Missionspredigt. Ohne den Glauben an die Auferstehung wären seine Mühen um den Aufbau christlicher Gemeinden vergeblich, ja sinnlos gewesen. Das bezeugt Paulus in unserem Predigttext. Als „falscher Zeuge Gottes“ wäre er dagestanden, gäbe es keine Auferstehung. Sein Leben und das Leben aller anderen Christinnen und Christen würde
sich einer Lüge verdanken. Wir wären die „elendsten unter allen Menschen“.             


Ostern 2020 


Folgen wir dem Apostel Paulus und dem Konzil von Nizäa, dann feiern wir an Ostern vor allem eines: die  Auferstehung des Herrn. Ohne Auferstehung kein Osterfest. An Ostern erschallt der Ruf vom Sieg des Lebens: „Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!“ Christus ist als der Erste der Entschlafenen in die Ewigkeit aufgebrochen. Und mit ihm werden „alle lebendig gemacht werden“.
Sicher kommt an Ostern auch die Familie zusammen, werden Ostereier gesucht, wird miteinander gegessen und gefeiert. Doch tun wir das, weil der Herr auferstanden ist; weil wir eine Hoffnung haben, die über den Tod  hinausgeht. In den Osternächten, mit den Osterkerzen, den Osterkränzen, den Osterliedern, dem Osterlachen und Osterjubel feiern wie die Auferstehung. Wir feiern den Sieg des Lebens über den Tod.

In diesem Jahr wird Ostern überschattet von der Corona-Krise. Was wir in diesem Jahr erleben ist „Ostern, ganz nackt“, wie der Journalist Heribert Prantl am Freitag in der Süddeutschen Zeit schrieb. „Ostern 2020“, hält Prantl fest, „ist das Hochfest, das kein Fest ist, weil fast alles ausfällt, was zu diesem Tag gehört, vor allem die Begegnungen der
Menschen miteinander. Ostern 2020, das sind die Tage der großen Irritation.“

Ein nacktes Osterfest

Auch ich tue mich schwer mit diesem Osterfest. Die Gottesdienste in der Osternacht und am Ostersonntag sind für mich die geistlichen Höhepunkte im Jahr. In diesen Gottesdiensten wird der Glaube an die Auferstehung für mich fassbar, bekommt er eine Gestalt. Deshalb bin auch ich irritiert. Prantls Charakterisierung des Osterfestes 2020
bringt meine Gefühlslage auf den Punkt. Die schönen Gottesdienste, das Entzünden der großen Osterkerze, die Ostergesänge – es fehlt mir.
Ostern 2020 feiern wir ein nacktes Osterfest. Es begann schon mit dem Verzicht, die Osterbrunnen und die Ostereiche zu schmücken. Der Osterschmuck, die Gottesdienste, alles fällt dieses Jahr aus. Was übrig bleibt, sind wir selbst, ist das Gefühl, dass etwas fehlt. Etwas, dass uns unbedingt angeht, auf das wir nicht verzichten können. Überlegen Sie selbst: Wann hatten Sie zuletzt dieses Gefühl? In den vergangenen Jahren, als alles glatt lief, als die Osterbrunnen und die Ostereiche geschmückt waren, als in den Osternächten die Osterkerzen entzündet, am Ostermorgen gefrühstückt und die Ostergottesdienste gefeiert wurden, war dieses Gefühl bei mir und wahrscheinlich auch bei Ihnen nicht da. Jetzt ist es da, dieses schmerzhafte Ostergefühl an diesem nackten Osterfest.

Gut so, geht es mir durch den Kopf. Gut, dass du diesen Schmerz empfindest. Wäre es nicht so, wäre dir die Auferstehung und das Osterfest egal. Es ginge dich nichts an. Jetzt weißt du: Es geht dich an, ja unbedingt an. Der Schmerz, den du in dir spürst, ist der Osterschmerz. Er wird genährt vom Glauben an die Auferstehung, den du so gern mit deiner Familie und deiner Gemeinde feiern möchtest. „Es könnte sein“, lässt Prantl seinen lesenswerten Osterartikel ausklingen, „dass die prekäre Osterstille des Jahres 2020 eine besondere Kraft entwickelt.“ Von Paulus erfahre ich heute, um was für eine Kraft es sich handelt: um die Kraft der Auferstehung! Denn:


Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!